Leseprobe:

  

Munkeln im Dunkeln 

  

Leise Schritte näherten sich. Eine kleine, plumpe Gestalt hüpfte aufs Bett und beugte sich zum Ohr der Schlafenden.

»Ich glaube, es ist so weit«, brummte sie leise.

Die Angesprochene zuckte zusammen und öffnete die Augen. »Es ist so weit?«, murmelte sie. »Jetzt?« Sie tastete nach dem Smartphone. Fünf vor zwölf.

»Sie ist eingeschlafen, ohne mir von ihrem Tag zu erzählen.« Das Gesicht der Sprecherin lag im Schatten, doch ihrer Stimme hörte man die Tränen an.

»Gut, dann sei es.«

 
Ist da jemand?

 

Etwas hatte sie geweckt.

Mia lag in der Dunkelheit, lauschte ihrem hastig schlagenden Herzen und fragte sich, was es gewesen war, das sie ihrem Traum entrissen hatte. Dabei war es eigentlich gar nicht wichtig, solange es weder Blitz noch Donner gewesen war. DAS wäre ein Grund, besorgt zu sein. Alles andere …

 

Draußen fuhr ein Auto vorbei. Mia lächelte. Vielleicht war ja ein anderes Auto die Ursache dafür, dass sie wach geworden war. Ein Auto mit schepperndem Motor oder kaputtem Auspuff oder jemand, der während des nächtlichen Fahrens laute Musik hörte, um nicht einzuschlafen.

Allmählich beruhigte sich ihr Herzschlag. Es stand kein Gewitter zu befürchten. Sie schaltete ihr Nachtlicht ein, ließ bunte Sterne durchs dunkle Zimmer tanzen, kuschelte sie sich wieder in ihr Kissen und ihre Decke und lauschte der Stille.

  

Stille.

  

Ein Gedanke erhob sich, drängelte in den Vordergrund. Es war eher eine Frage, doch bevor Mia sich darauf konzentrieren konnte, berührte sie jemand, etwas an der Schulter.

Ihr entfuhr ein leises Quieken, ehe sie sich auf die Unterlippe biss und die Luft anhielt. Wieder hatte ihr Herzschlag beschleunigt. Ein Pochen, so laut in der Dunkelheit, dass sie glaubte, sogar ihre Eltern im Nebenzimmer müssten davon aufwachen. Und erst recht Mats, der im selben Zimmer schlief.

 

Die Zeit verstrich, ohne dass sich etwas ereignete. Weder wachte jemand auf, noch befand sich jemand im Zimmer, der sie absichtlich an der Schulter hätte berühren können. Vielleicht sollte sie doch allmählich die Zahl der Mitschläfer reduzieren. Obwohl … Ihre Augenlider flatterten, sie war so müde und es war bestimmt schon so spät, dass sie morgen unausgeschlafen zur Schule ge­hen muss. Sie seufzte.

Hinter ihr seufzte ebenfalls jemand. Leise zwar, doch überdeutlich in der Stille des Zimmers. Mia riss die Au­gen auf und schlug beide Hände vor den Mund, damit dieses Mal kein einziger Laut ihren Lippen entschlüpfen konnte. Eine Gänsehaut kroch über ihren Rücken, umso mehr, da sie glaubte, warmen Atem im Nacken zu spü­ren. Sie schloss die Augen, ganz fest, und hätte so gern Mama Bär in ihren Armen gespürt, doch die lag – wo eigentlich?

 

»Ich bin es doch nur«, flüsterte eine brummige Stimme. »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.«

  

Mias Gedanken überschlugen sich schier, erzählten von Flucht und Kampf und Hilfeschreien, alles gleichzeitig, während sie immer noch starr in ihrem Bett lag, zu durcheinander, um die geflüsterten Worte zu verstehen, und zu ängstlich, um sich umzudrehen. 



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